Wir brauchen den Chief Change Officer – Veränderung tut Not!
Der aktuelle Veränderungsdiskussion, die zunehmende Geschwindigkeit und das breite Spektrum von Veränderungen sind in aller Munde. Es vergeht kein Tag, dass die einschlägigen Medien, Blogs und Meinungsmacher sich nicht zu diesem Thema äußern. Zum Wandel und der Veränderung fallen immer wieder die gleichen Begriffe: Digitalisierung, Industrie 4.0, Internet of Things, Big Data, Shared Economy, Generation Y und Z, Globalisierung/Glokalisierung, e-learning etc. Die Geschwindigkeit der Veränderung wird nicht nur gefühlt, sondern auch tatsächlich immer schneller.
Ständig kommen neue Geschäftsmodelle auf den Markt, aber auch die Erwartungen der Kunden und die Art der (Zusammen-) Arbeit ändern sich deutlich schneller als früher. Dies sicherlich maßgeblich bedingt durch die vielen neuen technischen Möglichkeiten. Und das breite Spektrum der Veränderung ist auch beeindruckend, denn es geht nicht nur um die unendlichen technischen Möglichkeiten, sondern auch um die sozidemographischen Veränderungen, die Veränderungen der Arbeitswelt sowie die notwendige Erfüllung der zunehmenden regulatorischen Anforderungen.
Wenn wir dieses schier unendliche Spektrum des Wandels und der Veränderung mit allen seinen Ausprägungen und Auswirkungen auf uns wirken lassen, müssen wir zugeben, dass wir in einer Welt von Veränderungsdimensionen leben, deren Ausmaß wir weder abschließend begreifen noch deren Folgen wir perspektivisch prognostizieren können. Wir werden nicht mit Sicherheit sagen können, was in fünf geschweigen denn in zehn Jahren sein wird und wie die vielen neuen Dimensionen des Wandels die Welt bis dahin werden verändert haben.
Schon einige Blicke in die Vergangenheit mit der Perspektive auf das heute verraten, dass einige Prognosen eingetreten sind, andere auch wieder nicht. Wie haben sich George Orwell das Jahr „1984“ vorgestellt und Aldous Huxley seine „Brave New World“? Oder der sehr aktuell immer wieder herangezogene Vergleich zur Erwartungshaltung der Macher von „Back to the Future“ am 21.Oktober 2015 und der aktuell vorgefundenen Realität. Wie gesagt, einzelne Vorhersagen sind eingetroffen, andere eben nicht. Und dies erlaubt die Schlussfolgerung, dass Vorhersagen – gerade vor dem Hintergrund unserer technischen Möglichkeiten heute projiziert in eine eher unbekannte Zukunft – nicht wirklich realistisch gemacht werden können.
Wie sollten Top Manager reagieren?
Doch was bedeutet das? Sollen wir jegliche Veränderung einstellen, weil wir sowieso nicht sagen können, was sein wird und wie es sein wird? Sollen wir die „anderen“ vorpreschen lassen und dann nachmachen so gut und so schnell es geht?
Die einzige richtige Antwort muss lauten, sich den permanenten Veränderungen proaktiv und kontinuierlich zu stellen, indem man fortlaufend die Unternehmensstrategie in Frage stellt, das eigene Geschäftsmodell kritisch beäugt. Die Organisation und das Leistungsversprechen sind konsequent aus der Kundensicht zu betrachten. Das gesamte Spektrum der endogenen und exogenen Veränderungseinflüsse ist immer und immer wieder auf das Unternehmen als Ganzes zu projizieren. Die Beobachtung der Veränderungsnotwendigkeit des Unternehmens, der Organisation und des Geschäftsmodells muss eine permanente Aufgabe der Unternehmensleitung sein.
Auch wenn immer wieder neue exogene Einflüsse oder das Tagesgeschäft ihren Tribut zollen, so wird die kontinuierliche Auseinandersetzung des Top Managements mit der Veränderung – dem „Change“ an sich – eine der ursächlichen Aufgaben werden müssen. Und gerade weil die langfristige Ausrichtung an Strategien nicht mehr allein greift – denn in den bekannten strategischen Zyklen darf nicht mehr ausschließlich gedacht werden – muss sich die Funktion des permanenten Change Managements auf der Top Management Ebene etablieren. Und zwar das Change Management in seiner originären Definition als der: „Laufenden Anpassung der Unternehmensstrategie und –Strukturen an sich verändernde Rahmenbedingungen“
Vor diesem Hintergrund wird sich sukzessive auf der Ebene einer jeden Unternehmensleitung die Einstellung etablieren müssen, dass das Change Management eine dauerhafte und vor allem strategische Aufgabe werden muss, die fix in der Verantwortung der Top Managements verankert sein muss – sofern sie dies nicht schon ist.
Wie sollte die Umsetzung erfolgen?
Schon seit mehr als zwei Jahrzehnten wird die Funktion des Chief Change Officers (CCO) diskutiert. Mal wird ihr Schwerpunkt im HR Bereich gesehen, mal wird sie im Umfeld der IT gesehen, aber auch in der Verantwortung des Chief Strategy Officers oder des Chief Digital Officers gesehen.
Doch bevor die organisatorische Ansiedlung diskutiert wird, sollte zunächst einmal ein Blick auf seine Aufgaben und seine Verantwortung gelenkt werden. Der CCO muss alle Veränderungseinflüsse auf das Unternehmen im Blick haben und sicherstellen, dass die Unternehmensleitung angemessen auf die Veränderungsnotwendigkeiten reagiert, diese bewertet und bei Bedarf auch in konkrete Aktivitäten im Unternehmen überträgt. Als Definition der Funktion des CCOs würde sich eignen: das permanente Hinterfragen des etablierten Geschäftsmodells, der Unternehmensprozesse, der Art zu Arbeiten und der gelebten und existierenden Kultur vor dem Hintergrund des auf allen Ebenen sich vollziehenden Wandels.
Das Ergebnis des Hinterfragens der Veränderungsfähigkeit und -agilität sollte als ständige Bewertung und laufender Impulsgeber an die Unternehmensleitung erfolgen. Da der Wandel sich wie bereits beschrieben, sehr breit vollzieht, sind auch alle Dimensionen der Veränderung fortlaufend zu betrachten und zu bewerten. Schon mit dieser Öffnung der fachlichen und funktionalen Verantwortung wird klar, dass das Spektrum der Aufgaben und Kompetenzen deutlich über das des Chief Digital Officers und der Chief Strategy Officers hinausgeht. Es wird auch sichtbar, dass eine Ansiedlung im HR Bereich hier deutlich zu kurz greift.
Neben der kontinuierlichen Bewertung aller exogenen Veränderungseinflüsse und den daraus abzuleitenden Handlungsempfehlungen für das Top Management muss die Funktion des CCO aber auch die laufenden Anpassungen und Veränderungen, die sich im Unternehmen auf Grund seiner Empfehlungen vollziehen, übersehen und den Fortschritt immer wieder bewerten. Die Bewertungen der Veränderungsagilität und der Veränderungsfähigkeit kann der Chief Change Officer durch Change Readiness Assessments und Change Agility Reviews durchführen.
Als durchaus auch in der Verantwortung des Chief Change Officers liegend werden die Unternehmenskultur, die Art der Führung und die Struktur der Organisation gesehen. Mittlerweile mahnen führende Arbeitswissenschaftler und -forscher, dass die tradierten Führungsstile nicht mehr zeitgemäß sind und angepasst werden müssen. Damit einhergehen muss auch die Veränderung der Kultur des Unternehmens. Traditionell arbeiten viele große Unternehmen noch mit „Kontroll-“, „Absicherungs-“ oder auch „Angstkulturen“ welche im Gegensatz zu den mit der dauerhaften Veränderung einhergehenden „Innovations-“ oder „Entrepreneurkultur“ steht und daher sukzessive angepasst werden muss. Diese „neuen“ und agilen Unternehmenskulturen lassen sich am besten in flachen Hierarchien oder gar heirarchielosen Organisationen abbilden und zur nachhaltig Entfaltung bringen.
Die Ausgestaltung!
Wir kennen aus den vergangenen Entwicklungen immer wieder Funktionen in den Unternehmen, die geschaffen wurden, um bestimmte unternehmerische aber auch regulatorische Notwendigkeiten in den Griff zu bekommen: wir kennen den Chief Risk Officer, den Chief Auditing Officer, den Datensicherheitsbeauftragten, den Compliance Officer, den Gleichstellungsbeauftragten, den Geldwäschebeauftragten, usw. Mittlerweile haben sie auch eine hohe unternehmerische und teilweise strategische Relevanz.
Daher sollte sich jede Unternehmensleitung in der heutigen Zeit, die von unglaublichen schnellen Veränderungen dominiert wird, fragen, ob sie dem Thema der dauerhaften Verän-derungsnotwendigkeit ausreichend Raum gibt und auch inhaltliche sowie organisatorische Relevanz beimisst. Die Funktion ist nicht als regulatorisch relevant anzusehen, allerdings wird sie nach den oben gemachten Ausführungen an Bedeutung gewinnen. Beginnen sollte jede Unternehmensleitung mit der Aufnahme der strategischen Aufgabe der „Dauerhaften Veränderungsfähigkeit“ in die Unternehmensziele. Sobald diese Einsicht passiert ist und die „dauerhafte Veränderungsfähigkeit“ als ein strategisches Unternehmensziel verankert ist, so ist die Definition eines Verantwortlichen für diese Funktion der nächste logische Schritt.
Idealer Weise berichtet der CCO an die Unternehmensleitung und ist dieser direkt zugeordnet, vielleicht ist auch der kontinuierliche Austausch mit der Kontrolle der Unternehmensleistung (z.B. Aufsichtsrat/Beirat) gewünscht.
Der CCO wird neben einem breiten und kundenorientierten Blick auf die Veränderungsnotwendigkeit des Unternehmens auch ein hohes Maß an Mediationsempathie und Verhandlungsgeschick mit bringen müssen, um die unterschiedlichsten Einflüsse, Erwartungshaltungen und Ziele der Mitglieder der Unternehmensleitung kalibrieren und weitgehend gleich ausrichten zu können. Denn bei der Umsetzung von Veränderungen sind zwei Dinge wesentlich als Voraussetzung: das Commitment der Unternehmensleitung (das „Wir-wissen-was-wir-wollen!“) auf das klare und präzise definierte Zielbild („Da-wollen-wir-hin!“) sowie das eineindeutige Alignment (das „Wir-wollen-das-wirklich!“). Im konsequenten Management der Veränderung sowie dem kontinuierlichen Hinterfragen der richtigen Richtung liegt der Erfolgsfaktor einer nachhaltigen, erfolgreichen Umsetzung.
Das Fazit!
Als Fazit kann nach diesen Überlegungen nur gelten, dass die dauerhafte Veränderungsnot-wendigkeit, welche sich aus allen externen Rahmenbedingungen und Entwicklungen ergibt, eine der wesentlichen unternehmerischen Herausforderungen der nächsten Jahre sein muss. Dieser unternehmerischen Verantwortung einen relevanten inhaltlichen und organisatorischen Stellenwert zu geben, ist nur folgerichtig. Ob die Funktion am Ende des Tages Chief Change Officer heißen muss, ist aus dem Unternehmenskontext zu entscheiden. Wichtig ist nur, dass es diese Funktion und Verantwortung gibt.
Am effizientesten ist natürlich, wenn der Vorsitzende der Unternehmensführung diese Funktion übernimmt und diese Rolle ausfüllt. Der Titel wie alle Titel wird in flachen Hierarchien per se ihre Bedeutung verlieren, die Funktion und die Verantwortung auf Grund der unternehmerischen Notwendigkeit aber an Bedeutung gewinnen!